2014 bat Norwegian Cruise Line den berühmten Meerestierkünstler Guy Harvey, einen unverwechselbaren Schiffsrumpf für das neueste und größte Schiff von Norwegian Cruise Line, Norwegian Escape, zu entwerfen. Ein paar der Designelemente werden die gesamte Länge des 1,065 Fuß langen Schiffs umspannen und zwei Unterwasserszenen zeigen, die sich nahtlos einfügen. Norwegian Escape wird ab Herbst von Miami aus in die Karibik fahren.
Harvey wuchs in Jamaika auf und betreibt ein Kunstatelier auf Grand Cayman, wo er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt. Das Latitudes Magazine stellte dem Künstler 10 Fragen über seine Leidenschaft und sein bisher größtes Kunstwerk.
Latitudes Magazine: Erzählen Sie uns von Ihrem Design für die Norwegian Escape. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und welche Herausforderungen birgt die Arbeit mit solch einer großen Leinwand?
GUY HARVEY: Ich habe bestehende Bilder in einer Collage zusammengefügt, um die unterschiedlichen Fischarten entlang des Schiffsrumpfs der Escape zu platzieren. Angesichts des großen Formats war es eine Herausforderung, sich zurückzuhalten und den Rumpf nicht mit allen fabelhaften Meerestieren zu bemalen, die in den Gewässern der Escape heimisch sind. Da die Escape ihren Heimathafen in Miami haben wird, habe ich mich für einen Schwertfisch als „Galionsfigur“ entschieden [das Kunstwerk erstreckt sich entlang der Seiten bis hin zum Heck des Schiffs]. Der Schwertfisch wird mit Süd-Florida in Verbindung gebracht, was wiederum die Welthauptstadt der Bootsfahrt und Sportfischerei ist. Ich werde die Werft in Papenburg, Deutschland [wo die Norwegian Escape gebaut wird], Ende Juli besuchen, um einen Blick auf den bisherigen Fortschritt zu werfen, Tipps zu geben und meine Signatur auf dem Schiff zu hinterlassen.
LM: Woher kommt Ihre Faszination für das Meer?
GH: Ich bin in Jamaika aufgewachsen und meine Eltern waren begeisterte Hobbyfischer und Schnorchler. Seit frühester Kindheit bin ich unglaublich gerne auf dem oder unter Wasser unterwegs. Später wollte ich etwas studieren, das mit Fischen zu tun hat, und habe deshalb eine wissenschaftliche Laufbahn als Meeresbiologe eingeschlagen. Es folgte ein Ph.D. in Fischbiologie und Fischereimanagement. Wenn man auf den Cayman Islands lebt, liegt der Ozean direkt vor der Haustür. Ich verbringe viele Stunden damit, tauchen zu gehen.
LM: In Ihrer Kunst spiegelt sich Ihre Liebe für die Sportfischerei wider. Was fasziniert Sie als Angler am meisten?
GH: Ich mag alle möglichen Angelarten – mit unterschiedlicher Ausrüstung und unterschiedlichen Fischen. Besonders die beim Sportfischen beliebten Fische, wie Marline, Schwertfische und Thunfische, haben es mir angetan. Sie sind so mächtig, majestätisch und wunderschön. Das Schönste ist, sie nach einem harten Kampf unversehrt davonschwimmen zu sehen. Am liebsten fange ich Segelfische wegen ihrer tollen Sprünge über dem Wasser, die ich gerne auf Film festhalte. Zu meinen liebsten Angelplätzen in der Karibik zählen Saint Thomas und Puerto Rico für Blaue Marline, Venezuela für Weiße Marline, die Isla Mujeres in Mexiko für Schwertfische, Weiße Marline und Makohaie sowie die Cayman Islands für Delfine, Wahoos und Thunfische. Das Fangen und Freilassen von riesigen Blauflossen-Thunfischen in Nova Scotia, von gigantischen Schwertfischen oder von Blauen und Schwarzen Marlinen an verschiedenen Orten in Panama oder Australien ist einfach für jeden Fischer der größte Nervenkitzel.
LM: Wie würden Sie den heutigen Zustand der Weltmeere beschreiben?
GH: Der heutige Zustand der Ozeane ist alles andere als gut. Mit den steigenden Bevölkerungszahlen und einer erhöhten Nachfrage nach Meeresfrüchten hält auch die Überfischung weiter an. Die Lebensraumzerstörung und Verschmutzung der Meeresökosysteme erstreckt sich auf Korallenbänke, Seegraswiesen und Mangroven. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels. Viele Länder schätzen heutzutage den Wert eines lebenden Meeresökosystems nicht nur wegen der Erhaltung der Artenvielfalt, sondern auch zugunsten ihrer Wirtschaft und Bewohner. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Meeresumwelt und die Artenvielfalt auf diesem Planeten zu erhalten. Die Karibik als wichtiger Anziehungspunkt im Tourismus bietet hier eine riesige Chance zur Erhaltung des Meeresökosystems und seiner Artenvielfalt. Ich bin zuversichtlich, dass die Menschen die richtigen Entscheidungen treffen werden.
LM: Wie kritisch sehen Sie den Klimawandel?
GH: Viele Regierungen haben erst spät erkannt, dass sich die gegenwärtige Lage nicht beibehalten lässt und dass unser Planet aufgrund der vom Menschen erzeugten Treibhausgase langsam immer wärmer wird. Hinzu kommt der Anstieg des Meeresspiegels wegen der schmelzenden Polarkappen. Wenn diese verheerenden Auswirkungen auf den größten Artenverlust seit dem Aussterben der Dinosaurier treffen, werden immer mehr Menschen Maßnahmen von großen Unternehmen und den Regierungen fordern.
LM: Die Norwegian Escape wird mit branchenführenden Umwelttechnologien an Bord unterwegs sein. Was reizt Sie am meisten an der Zusammenarbeit mit Norwegian?
GH: In der Vergangenheit hatte die Kreuzfahrtindustrie einen schlechten Ruf wegen des Schadens, den sie der Meeresumwelt zufügte. Dies ist jedoch im Begriff, sich zu ändern – die Schiffe werden effizienter und die Unternehmen berücksichtigen das Thema Nachhaltigkeit. Auf der Norwegian Escape werde ich einen TV-Bordsender moderieren, in dem ich einige der majestätischen Meereslebewesen vorstelle, die ich beim Sportfischen oder Tauchen an den unterschiedlichsten Orten treffe. Von diesen Dokumentarfilmen kann man wirklich viel lernen.
LM: Können Sie uns von einigen Ihrer besonders eindrücklichen Erlebnisse auf See erzählen?
GH: Bei den meisten meiner Ausflüge gehe ich in etwas abgelegeneren Gebieten fischen oder tauchen, zum Beispiel bei Costa Rica, Panama, der Kokos-Insel oder den Galapagosinseln. Ich hatte zahlreiche außergewöhnliche Begegnungen beim Tauchen und Fischen mit großen Haien, Walen und Segelfischen. Die Begegnungen mit diesen majestätischen Geschöpfen geben den Antrieb, Bilder von ihnen zu erschaffen und sie den Menschen mithilfe der Kunst näherzubringen.
LM: Erzählen Sie uns etwas über die Arbeit der Guy Harvey Ocean Foundation und des Guy Harvey Research Institute.
GH: Das Guy Harvey Research Institute (GHRI) nahm seine Arbeit im Jahr 1999 auf und befindet sich im Oceanographic Center der Nova Southeastern University in Florida. Die Forschungsarbeiten zu Haien, Segelfischen und Thunfischen habe ich mit den Einnahmen aus meinem gewinnorientierten Lizenzgeschäft finanziert. Die gemeinnützige Guy Harvey Ocean Foundation wurde 2007 mit dem Zweck der Förderung von Bildungsinitiativen und Mittelbeschaffung gegründet. Bis heute hat das GHRI mehr als 80 wissenschaftliche Arbeiten in den bekanntesten Fachzeitschriften veröffentlicht und ist weltweit führend bei der Forschungsarbeit zu Haien und Segelfischen. Die Arbeit des GHRI halte ich oft auf Video fest, um sie für meine pädagogischen Dokumentarfilme zu verwenden.
LM: Wie gelangte der giftige Rotfeuerfisch von seiner Heimat im Pazifik in die Karibik?
GH: Der Rotfeuerfisch kam ursprünglich über den Aquarienhandel vom Westpazifik nach Florida. Als gieriger Raubfisch fraß er alle anderen Fische im Aquarium, woraufhin er immer größer und im Kanal freigelassen wurde. Das warme, reichhaltige Wasser der Bahamas und der Karibik führte dazu, dass diese Fische sich wohlfühlten und ihre Zahl aufgrund der hohen Fortpflanzungsfähigkeit und des Fehlens natürlicher Feinde sprunghaft anstieg. Rotfeuerfische schmecken allerdings sehr gut und werden deshalb in der ganzen Karibik überaus gerne gegessen, was wiederum überfischte Arten, wie Zackenbarsche und Schnapper, weniger belastet. Mit der steigenden Nachfrage nach Rotfeuerfisch werden mehr dieser Fische in unseren Riffen gefangen, bis sich der Fischbestand der Rotfeuerfische wieder natürlich regelt.
LM: Auf welche Fischarten sollten wir als Konsumenten eher verzichten, um deren Erhalt zu fördern?
GH: Es gibt diverse Ratgeber für Fisch und Meeresfrüchte aus nachhaltiger Herkunft, auch die Guy Harvey Ocean Foundation veröffentlicht solch einen Ratgeber online und in gedruckter Form. Manche Wildfische und Schalentiere werden nach wie vor nachhaltig gefangen, wie Lachs und Hummer sowie bestimmte Thunfischarten. Manche Arten werden stark befischt und sind daher zu meiden, bei anderen wiederum liegt eine kritische Überfischung vor. Der Rotfeuerfisch ist eine logische Wahl, ebenso wie der Tilapia aus Fischzucht, beides Fische der Zukunft.